Im Miozän gab es über dem heutigen Deutschland ein „doppeltes Meteoriten-Desaster”

This is an authorized translation of an Eos article. Dies ist eine autorisierte Übersetzung eines Eos artikels.

Die gotische Kirche erhebt sich hoch über das mittelalterliche Städtchen Nördlingen. Im Gegensatz zu den meisten Kirchen wurde St. Georg jedoch aus einem ganz besonderen Gesteinstyp erbaut: Suevit, eine grobkörnige Brekzie, die nur infolge starker Einschläge entsteht. Diese Entdeckung sowie andere Beweisführungen halfen Forschenden bei der Bestimmung, dass Nördlingen in einem Einschlagkrater liegt. Jetzt haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Nachweise gefunden, dass dieser sowie ein benachbarter Krater in nur 40 Kilometer Entfernung als „doppeltes Desaster” durch den Einschlag zweier verschiedener Meteoriten gebildet wurden. Damit wird eine frühere Theorie widerlegt, dass diese Formationen Überreste eines Einschlags seien, der von einem Asteroiden und einen durch die Schwerkraft an ihn gebundenen Satelliten zum gleichen Zeitpunkt verursacht wurde.

Eine Handvoll Doppelkrater

Auf unserem Planeten gibt es knapp 200 nachgewiesene Einschagformationen, und eine Handvoll von ihnen tritt in unmittelbarer Nachbarschaft voneinander auf. Nach Auffassung einiger Forschender handelt es sich bei diesen scheinbaren Doppelkratern um Narben, die von Zweier-Asteroiden verursacht wurden, die gleichzeitig auf der Erde einschlugen. Das ergebe Sinn, sagte William Bottke, Planetenforscher am Southwest Research Institute in Boulder, Colorado, der nicht an der neuen Untersuchung beteiligt war. „Wir haben nicht so viele Krater auf der Erde. Wenn man zwei nebeneinander sieht, dann denkt man natürlich sofort, dass es da eine Verbindung gibt.”

In der Theorie konnten Wissenschaftler:innen jedoch darlegen, dass die Vorstellung des Zweier-Asteroiden unwahrscheinlich ist. Denn die meisten Zweier-Asteroiden umkreisen einander in einem so engen Orbit, dass sie bei einem Einschlag in einen Felskörper nicht zwei voneinander getrennte Krater bilden würden, wie in den 1990er Jahren Bottke und seine Kollegen zeigten. „Wenn sich bei dem Einschlag eines Zweier-Asteroiden zwei getrennte Krater bilden, müssen die beiden Himmelskörper ziemlich weit voneinander entfernt sein”, erklärte Bottke.

Zwei Krater in Süddeutschland

Nun allerdings untersuchten Elmar Buchner, Geologe an der Hochschule Neu-Ulm, und seine Kolleginnen und Kollegen die Entstehung von zwei Einschlagkratern in Süddeutschland anhand von Beobachtungsdaten. Sie konzentrierten sich auf das Nördlinger Ries mit seinen 24 Kilometer Durchmesser und der gleichnamigen Stadt in seinem Innern sowie auf das 4 Kilometer breite Steinheimer Becken, das etwa 40 Kilometer davon entfernt liegt.

Der Meteoritenkrater Nördlinger Ries, Bildmitte, ist mehr als fünfmal so groß wie das Steinheimer Becken, das in den Erhebungen rechts vom Ries zu erkennen ist. Bildnachweis: San Jose/Wikimedia, CC BY-SA 3.0
Anhand von Argon-40/Argon-39-Datierung konnte man feststellen, dass das Ries vor rund 14,8 Millionen Jahren entstanden ist. Das Alter des Steinheimer Beckens wurde noch nicht endgültig bestimmt, einige Forschende vermuten jedoch, dass es gleichzeitig mit dem Ries entstand. „Es galt schon fast als Dogma in Deutschland, dass es sich hier um einen gleichzeitigen Doppeleinschlag handeln muss”, sagte Buchner.

Zwei erschütternde Einschläge

Buchner und seine Mitarbeitenden untersuchten Felszungen in der Region rund um die Krater und stießen auf eine Schicht durcheinandergeworfener, zerbrochener Sedimente. Das war nicht weiter überraschend, denn solche Seismiten sind ein Zeichen dafür, dass in der Region starke seismische Wellen auftraten – was nach einem Meteoriteneinschlag sicherlich der Fall gewesen ist. Die Forschenden stellten jedoch fest, dass dieser Seismithorizont von einem zweiten Horizont durchschnitten wurde: senkrechte, röhrenförmige Formationen, die man als Neptunische Röhren bezeichnet. Diese zwei unterschiedlichen Seismiteinheiten sind nach Überlegung von Buchner und seinen Kolleg:innen der Nachweis für zwei getrennte Einschläge. Damit ist ein Einschlag durch einen Zweier-Asteroiden ausgeschlossen, denn dadurch wäre nur eine Runde seismischer Wellen ausgelöst worden.

Der Einschlag, der das Ries entstehen ließ, muss nach Auffassung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zuerst erfolgt sein, weil Kalksteinblöcke – Auswurfmaterial aus dem Rieseinschlag – den unteren Seismithorizont abdecken. Das entspricht früheren Forschungsergebnissen, denenzufolge Fossilien im Ries einige Hunderttausend Jahre älter als die Fossilien sind, die im Steinheimer Becken gefunden wurden.

Diese Gegend „wurde im Mittleren Miozän Zeugin einer doppelten Katastrophe” schlussfolgerte das Team in seinem Artikel, der im vergangenen Monat in Scientific Reports veröffentlicht wurde. Das ist selten, aber nicht völlig unbekannt, sagte Bottke. „Es steht nur eine begrenzte Fläche zur Verfügung. Wenn es immer wieder Einschlagkrater gibt, dann werden rein zufällig irgendwann einmal auch zwei ganz nah beieinander liegen.”

—Katherine Kornei (@KatherineKornei), wissenschaftliche Autorin

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