Wissenschaft verknüpft den Wald mit dem Internet der Dinge

This is an authorized translation of an Eos article. Dies ist eine autorisierte Übersetzung eines Eos artikels.

Wälder haben eine komplexe Beziehung zum Klimawandel. Einerseits absorbieren sie Kohlenstoff aus der Atmosphäre, ja sie vermehren sich sogar in wechselndem Klima. Andererseits leiden sie oft unter größerem Hitzestress, was ihre Kapazität als Kohlenstoffsenken und ihre Resilienz gegen Trockenheit beeinträchtigt. Mit rund 10,5 Mio. Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft werden Forschende in Europa jetzt Wälder mit neuartigen Sensoren ausrüsten, um die Auswirkung von Klimaveränderungen auf Waldgebiete besser zu verstehen.

Durch die Kombination von Forstwissenschaft mit dem Internet der Dinge (Internet of Things, IoT), mit Technik, Drohnen und anderen Instrumenten will EcoSense versuchen, den Auswirkungen des Klimawandels auf die Wechselbeziehungen zwischen Pflanzen, Boden und der Atmosphäre auf den Grund zu gehen. Diese Wechselbeziehungen hängen ab von den jeweiligen Arten, Standorten und Gehölzsammlungen, d. h. eine Ansammlung von Bäumen in einem Wald, die in Bezug auf Alter, Größe, Verteilung und andere Faktoren relativ homogen ist. Die Initiative EcoSense schließt an Untersuchungen wie den sogenannten „Wired Forest“ oder „verkabelten Wald“ der Harvard University an.

„Wir verstehen nicht, wann und warum Klimaextreme wie Hitzewellen oder Dürren einzelne Bäume oder Waldabschnitte über ihre Kipppunkte hinaus treiben.“

Das Projekt wird einem Umriss zufolge gezielt abiotische und biotische Prozesse im Kohlenstoff- und Wasseraustausch des Waldes und die Reaktion des Ökosystems auf Stressoren in der Umwelt untersuchen und damit die Vorhersage prozessbasierter Veränderungen in der Funktionsweise und Nachhaltigkeit ermöglichen. Echtzeitdaten aus dem Sensorennetzwerk werden an eine Datenbank übermittelt, wo dann Analysen und Deep-Learning-Simulationsmodelle für kurz- und mittelfristige Vorhersagen erstellt werden.

„Klimawandel wirkt sich bereits gewaltig auf Waldökosysteme aus. Wir sehen bereits vermehrtes Bäumesterben weltweit“, sagte Christiane Werner, Professorin für Ökosystemphysiologie am Institut für Geo- und Umweltwissenschaften der Universität Freiburg, und verwies auf die Auswirkungen für die Bäume während der Trockenheit 2018 in Europa. „Zurzeit haben wir gute Modelle, die das Funktionieren des Ökosystems insgesamt unter nicht gestressten Bedingungen vorhersagen können, aber wir verstehen nicht, wann und warum Klimaextreme wie Hitzewellen oder Dürren einzelne Bäume oder Waldabschnitte über ihre Kipppunkte hinaus treiben.“

Internet der Walddinge

Das Forschungsteam wird mehrere Hektar Hügellandschaft im Schwarzwald, auf denen reine Buchenstände, reine Fichtenstände und Mischwald wachsen, mit Instrumenten ausrüsten. Klimabedingte Veränderungen im Wald haben möglicherweise weiterreichende Folgen; die Wälder sind für die Wirtschaft und den Fremdenverkehr in Deutschland wichtig, der Schwarzwald ist schließlich berühmt für seine alten Bauernhäuser und Kuckucksuhren, seinen Schinken und die gleichnamige Torte.

Das Toolkit von EcoSense wird sich voraussichtlich aus Kohlendioxid- (CO2) -Sensoren, Drohnen mit Kameras und anderen Instrumenten zusammensetzen. Zunächst wird das Team handelsübliche Instrumente verwenden und sie dann ab 2024 mit neu entwickelten Mikrosensoren, die zum Teil energieautonom sein werden, ersetzen, erklärt Ulrike Wallrabe, Professorin am Institut für Mikrosystemtechnik an der Universität Freiburg.

„Wir wollen Wasserströmungen, Kohlendioxid-Isotopendiskriminierung und flüchtige organische Verbindungen und Stressmarker, in erster Linie die photosynthetische Effizienz durch Chlorophyll-Fluoreszenz vom Boden bis hinauf in die Atmosphäre messen“, sagte Wallrabe. „Das Sensornetzwerk wird aus neuen, kompakten und nach Möglichkeit energieautonomen Sensoren bestehen, die im Rahmen des Projekts entwickelt werden sollen.“

Nach Auffassung von Daniel Kneeshaw, Wald- und Klimawandelforscher an der Universität von Quebec in Montreal und nicht an EcoSense beteiligt, untersucht das Projekt interessante Parameter, die für eine breite Vielfalt von Forschenden nützlich sein könnten.

„Wie die Forschenden nahelegen, kann das, was auf Zellniveau passiert, auf höheren Skalen immense Auswirkungen über weite Gebiete haben“, sagte Kneeshaw und wollte zugleich wissen, wie die Daten von EcoSense nach oben und unten skaliert werden. „Ein besseres Verständnis der Mechanismen wird uns helfen, besser auf künftige Veränderungen vorbereitet zu sein. Wenn wir Netzwerke dieser Art auf der ganzen Welt haben und Wissenschaftler:innen der einzelnen Netzwerke [darüber] reden, bekommen wir noch solidere Ergebnisse und Interpretationen.“

Das Projekt EcoSense wird voraussichtlich 2023 mit der Veröffentlichung von Studien beginnen, einige daran beteiligte Gruppen haben jedoch bereits erste Ergebnisse bekannt gegeben. So publizierte beispielsweise eine Gruppe um Werner einen wissenschaftlichen Artikel über ein kabelloses, autonomes Chlorophyll-Fluorometer, das die Effizienz der Phytosynthese in Pflanzen misst. Mit einer Reichweite von 10 Kilometern kann dieses neuartige Instrument irgendwo an einem Baum befestigt werden, braucht wenig Strom und ist relativ kostengünstig.

Zusätzlich zur Finanzierung für die ersten 4 Jahre hat EcoSense die Option, zweimal um je 4 Jahre zu verlängern, sodass eine Langzeitperspektive gewonnen werden kann. Die Forschenden haben hohe Erwartungen, dass sie damit bedeutende Ergebnisse erzielen werden.

„Unsere Besonderheit liegt in der einmaligen Verknüpfung von Ökosystemforschung mit Mikrosystemtechnik. Verteilte autonome Sensoren und ihre Prinzipien werden der Ökosystemforschung neue Türen öffnen“, sagte Werner. „Wir werden eine bisher nie dagewesene Skalenabdeckung erreichen: sowohl räumlich, vom Blatt bis zum Wald, als auch in zeitlicher Dimension, von Minuten bis zu Jahren, von Prozessen und Interaktionen, die Kohlenstoff- und Wasserströmungen steuern, einschließlich Stressmarkern wie flüchtige organische Verbindungen und Chlorophyll-Fluoreszenz.“

—Tim Hornyak (@robotopia), wissenschaftlicher Autor

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